Jugendarbeitsschutz in Jugendorchestern
Was regelt das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)?
Das JArbSchG schützt Kinder (bis 15 Jahre) und Jugendliche (unter 18 Jahre) vor Arbeit, die zu früh beginnt, die zu lange dauert, die zu schwer ist, die sie gefährdet oder die für sie ungeeignet ist. Die Beschäftigung von Kindern und vollzeitschulpflichtigen Jugendlichen ist in der Bundesrepublik prinzipiell verboten. Das JArbSchG und die Kinderarbeitsschutz-verordnung lassen Ausnahmen nur für kurzzeitige leichte und für Kinder geeignete Arbeiten zu. Dabei werden auch Musikaufführungen besonders erwähnt:
- § 6 b) Kinder über 6 Jahre bis 3 Stunden täglich an Musikaufführungen und den erforderlichen Proben. Allerdings gibt es dafür Auflagen: Einwilligung der Eltern, aktuelle ärztliche Bescheinigung, Betreuung und Aufsichtspflicht, 14 Stunden Pause.
- § 7 Kinder, die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen, bis 7 Stunden täglich und 35 Stunden wöchentlich.
- § 8 Jugendliche 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich.
- § 14 bei Musikaufführungen bis 23 Uhr, danach 14 Stunden Pause, nur an 5 Tagen in der Woche, auch Samstag / Sonntag, nicht an Feiertagen
Damit wären intensive Probenphasen und Konzertreisen für Jugendorchester undurchführbar.
Gilt das JArbSchG überhaupt für Jugendorchester?
Der Geltungsbereich des JArbSchG, wird gleich in § 1 Absatz (1) abgesteckt:
„Dieses Gesetz gilt …
- in der Berufsausbildung
- als Arbeitnehmer oder Heimarbeiter
- mit sonstigen Dienstleistungen, die der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern oder Heimarbeitern ähnlich sind
- in einem der Berufsausbildung ähnlichen Ausbildungsverhältnis.“
Diese Aufzählung ist abschließend. Dazu definiert § 3 JArbSchG:
„Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes ist, wer ein Kind oder einen Jugendlichen gemäß § 1 beschäftigt.“
Wo könnte man hier die Jugendorchester verorten?
Bei den Punkten 1. und 4. könnte man womöglich an Orchester an Musikhochschulen denken, doch handelt es sich hierbei nicht um eine „Berufsausbildung“ (in einem „Ausbildungsberuf“), sondern um ein „Studium“, was der Gesetzgeber unterscheidet.
Punkt 2. und § 3 scheiden aus: Eine „Arbeit“ im Sinne des Gesetzes in seinem gesamten Kontext liegt nicht vor. Weder liegt bei Mitgliedern eines Jugendorchesters eine Erwerbsabsicht oder eine Lebensunterhalts-Notwendigkeit vor noch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, auch ist weder ein Arbeitsmarkt noch gewerbliche Professionalität vorhanden.
Die bei Punkt 3. genannte „Dienstleistung“ ist im Proben nicht zu erkennen, weil dies ja gerade den Vermittlungsprozess Kultureller Bildung ausmacht. Und auch die Konzerte sind wesentliches Element des Bildungsprozesses, selbst bzw. gerade wenn sie sich an ein öffentliches und ggf. auch zahlendes Publikum richten.
Unter Punkt 4. wäre noch erwähnenswert, dass einer vom Gesetz gemeinten formellen Ausbildung bei Jugendorchestern alle Merkmale fehlen: Es gibt keine Ausbildungsordnung, kein Curriculum, keine Prüfungsordnung, keine formale Qualifikation im Sinne eines anerkannten berufsqualifizierenden „Abschlusses“ für die Teilnehmenden.
Was bieten Jugendorchester im Unterschied dazu?
Jugendorchester sind ein Angebot der schulischen oder außerschulischen Kulturellen Jugendbildung und bieten eine spezifische Talentförderung. Die Proben und Konzerte eines Jugendorchesters haben die persönliche Kulturelle Bildung der Teilnehmenden im Fokus, wobei dazu auch die „Konfrontation“ mit der Öffentlichkeit als einem echten und kritischen Publikum substanziell gehört.
Jugendorchester werden von ihren Mitspielern freiwillig besucht und zwar in aller Regel während ihrer Freizeit (auch wenn schulische Orchester“freizeiten“ streng genommen auch in der Unterrichtszeit angesetzt werden können).
Jugendorchester werden aus diesen Gründen i.d.R. öffentlich gefördert, und ihre Träger sind öffentliche (z.B. Schule, städt. Musikschule) oder gemeinnützige Rechtskörperschaften (z.B. eingetragener Verein). Eintrittsgelder und Sponsoreneinnahmen dienen nicht der Gewinnerzielung oder der Entlohnung der Musiker*innen, sondern ergänzen die Kostendeckung.
Und wo sind die Grenzen?
Es ist immerhin denkbar, dass Jemand ein Jugendorchester gewerbsmäßig aufzieht, Arbeitsverträge schließt und Konzerte professionell vermarktet. Auf ein solches Unternehmen fände das JArbSchG unzweifelhaft Anwendung.
Auch wenn ein an sich freies und gemeinnütziges Jugendorchester oder einzelne seiner Musiker*innen bei Veranstaltungen eines professionellen gewerbsmäßigen Unternehmens mitwirkt (oder ein Kinderchor bei einer professionellen Opernproduktion zum Einsatz kommt), wäre die Anwendbarkeit des JArbSchG zu prüfen.
Was ist das Fazit?
Kinder- und Jugendschutz ist auch in der Kulturellen Jugendbildung ernstzunehmen. Das JArbSchG sollte bis auf die zuletzt genannten Ausnahmen auf Jugendorchester keine Anwendung finden, wenn es sich um Angebote der Kulturellen Jugendbildung handelt. Im Übrigen teilen unser Dachverband Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Mail vom 28.02.2018) eine solche Einschätzung.
Wo kann ich mich weitergehend informieren?
• Jugendarbeitsschutzgesetz:
https://www.gesetze-im-internet.de/jarbschg/JArbSchG.pdf
• BM für Arbeit und Soziales Broschüre: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a707-klare-sache-jugendarbeitsschutz-und-kinderarbeitsschutzverordnung.pdf?__blob=publicationFile
• Berufsbildungsgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/BJNR093110005.html
>>> Download: JOLO-Kompass: Jugendarbeitsschutz in Jugendorchestern
Dr. Ulrich Wüster
JMD-Generalsekretär
Stand: April 2018
Diese Information stellt keine Rechtsberatung dar. Es handelt sich um eine Orientierung. Die persönliche Information der ggf. Betroffenen erübrigt sich dadurch nicht. Die JMD übernimmt keine Haftung für Entscheidungsfolgen, die lediglich auf Grundlage dieser Einschätzung entstehen können.
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